Forschungs- und Entwicklungsprojekt

Gestalterische Anpassung einer historischen Anlage an die Auswirkungen des Klimawandels

Projektgebiet und Maßnahmenflächen, Grafik: © Elke Lorenz, Landschaftsarchitektin

Die Verwaltung der Schlösser Brühl realisiert gemeinsam mit der Stadt Brühl und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen der Bundesförderung „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ im Schlosspark ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Ziel ist die gestalterische Anpassung der historischen Anlage an die Auswirkungen des Klimawandels. Am 14. November beginnen die ersten praktischen Maßnahmen im Tiergarten. Um die Arbeiten verkehrssicher durchführen zu können, werden die Wege an den jeweils betroffenen Flächen ab dem 14. November gesperrt.

Der Klimawandel ist eine ernsthafte Bedrohung für den historischen Park und den Wald der Schlösser Brühl. Hitze und Dürre, Starkregen und Stürme, Schädlinge und Baumkrankheiten schaden dem Wald. Diese Faktoren beeinträchtigen die Fähigkeit der Bäume, CO2, Feuchtigkeit und Hitze zu binden. In den letzten Jahren ist es zu starken Verlusten von Bäumen gekommen. Die geplanten Maßnahmen im Tiergarten zielen darauf, die Widerstandskraft des angegriffenen Waldes zu stärken und seine Funktionen als Kohlenstoffspeicher, wertvolles Ökosystem und historischer Erlebnis- und Ruheort zu erhalten und zu fördern.

Ufuk May Foto: Schlösser Brühl, Verena Meier

Ufuk May, gärtnerischer Leiter der Schlösser Brühl erklärt: „Wir möchten den Wald im Einklang mit modernen Naturschutz- und Klimaschutzansprüchen als klimaresilienten Lebensraum weiterentwickeln und gleichzeitig das historische Bild des von Peter Joseph Lenné gestalteten, denkmalgeschützten englischen Landschaftsgartens erhalten.“ Um dies zu erreichen, werden bis Ende 2025 zwei Hauptmaßnahmen umgesetzt. 

Das komplexe Projekt wird unter den strengen Auflagen des Naturschutzgesetzes sowie des Denkmalschutzgesetzes und unter Berücksichtigung aller Bodenschutzauflagen durchgeführt. Alle Arbeiten werden vor Ort mit Artenschutzbeauftragten und Baumsachverständigen abgestimmt und von diesen begleitet. 

Phase 1 I Eichen-Förderung I Bereich VI I Start im November 24

Die heimische Eiche ist der typische Baum des Waldes im Tiergarten. Und sie ist bekannt für ihre hohe Klimaresilienz, weshalb ihr Bestand jetzt gezielt gestärkt und ausgebaut werden soll. Hierzu gibt es drei Ansätze:

1. Natürliche Verjüngung der Altbäume

May erklärt: „Die Eiche ist ein Lichtbaum. Deshalb schneiden wir die Bereiche unter den sogenannten Muttereichen frei und führen Rodungen durch. Sprich, wir schaffen Licht und Luft und bereiten den Untergrund so auf, dass Eicheln optimal keimen und wachsen können. Die kleinen Sämlinge werden später an anderen Stellen des Parks angesiedelt. 

Grafik: © Elke Lorenz, Landschaftsarchitektin

2. Künstliche Verjüngung der Altbäume

„Hierzu haben wir Eicheln gesammelt – sowohl von unseren eigenen Eichen als auch aus nahegelegenen Gebieten“, erklärt May. „Dieses Saatgut werden wir in unterschiedlichen Formationen wie Rillen, Flächen und Reihen anpflanzen.“ Später wird untersucht, wie sich die kleinen Eichen unter den verschiedenen Bedingungen entwickeln.

Grafik: © Elke Lorenz, Landschaftsarchitektin

3. Anpflanzungen junger Eichen aus dem Kottenforst

„Das Forstamt hat dort junge Eichen herangezogen. Diese zweijährigen Bäume pflanzen wir als Trupps und Solitäre auf unsere Versuchsflächen. Zu den Eichen setzen wir sogenannte Ammenbäume wie Linde und Hainbuche.“ Diese Ammenbäume schaffen gute Bedingungen für das Wachstum der Eichen. Später sollen nur die vitalsten Eichen stehen gelassen werden. Die schwächeren Bäume wie auch die Ammenbäume müssen wieder entfernt werden.

Grafik: © Elke Lorenz, Landschaftsarchitektin

Alle Maßnahmen werden dokumentiert und zielen darauf ab, unterschiedliches genetisches Material in den Wald einzubringen: das heimische aus dem Rheinland, das örtliche aus dem nahen Umland sowie das punktuelle aus dem direkten Umkreis von 200 Metern. May erklärt: „Das dient dazu, genetische Diversität zu schaffen und unseren Wald widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen.“

Phase 2 I Waldrand-Entwicklung I Bereich V I Start Anfang Februar 25

Die Maßnahmen der Waldrand-Entwicklung sollen im Februar 2025 starten. „In diesem Areal wollen wir mosaikartig angelegte, offene Wiesen- und Waldflächen gestalten“, erklärt May. Der Grund: Durch den Klimawandel sind bereits große Ausbuchungen und Lücken im Wald entstanden. Stattdessen haben sich an dieser Stelle Ahornsämlinge, Brennnesseln und Brombeersträucher ausgebreitet. „Die genannten Konkurrenten graben unseren wertvollen Altbäumen Wasser und Nährstoffe ab und machen ihnen den Platz streitig.“

Der unerwünschte Aufwuchs soll entfernt werden, um gezielt verschiedene niedrige Bäume und Sträucher zu pflanzen. Des Weiteren sollen Krautsäume und Wild-Wiesenflächen angelegt werden. Insgesamt entstehen so abgestufte, ökologisch wertvolle Waldränder. „All diese Maßnahmen sind zwingend erforderlich, um den Tiergarten widerstandfähig gegen den Klimawandel zu machen und die Vielfalt der an diesem Standort spezialisierten Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu fördern“, betont May. Der Charakter der entstehenden Gehölzkulisse entspricht zudem der Planung des Gartenkünstlers Peter Joseph Lenné aus dem 19. Jahrhundert.

Grafik: © Elke Lorenz, Landschaftsarchitektin

„Der Park als Ort unverzichtbaren kulturellen Erbes bildet nicht nur die grüne Lunge Brühls, sondern dient mit seiner historisch gewachsenen und erhaltenen Flora und Fauna den Einheimischen und Touristen als wertvoller Erholungs- und Erlebnisort. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Land ist es mir ein besonderes Anliegen, die Schlösser Brühl mit der Beantragung der Bundesmittel sowie der Übernahme des obligatorischen Eigenanteils bei ihren Bemühungen zu unterstützen, klimaresistente Waldstrukturen langjährig entwickeln und erhalten zu können. Damit können noch viele Generationen die UNESCO-Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust mit ihrer Parkanlage entdecken und genießen“, so der Brühler Bürgermeister Dieter Freytag.

Regina Junga, Dienststellenleiterin der Schlösser Brühl erklärt: „Gemeinsam mit unseren Partnern blicken wir zuversichtlich auf die kommenden Jahre. Der interdisziplinäre Schulterschluss und das gemeinsame Ziel, sich den komplexen Herausforderungen zu stellen, bieten vielversprechende Chancen für die erfolgreiche Anpassung unserer historischen Gärten und Parks an den Klimawandel.“

Das geförderte Klimaschutzprojekt, das von der Stadt Brühl 2021 für die Schlösser Brühl bei dem BBSR beantragt worden ist, läuft seit dem 13. Oktober 2022 und soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Bislang liefen umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten. Dazu zählen beispielsweise historische Forschung, notwendige Kartierungen sowie Untersuchungen zu Geologie, Böden, Vegetation und Artenschutz. Diese Forschung wurde unterstützt durch externe Experten sowie die Expertise der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sie bildet die Grundlage für eine an den Klimawandel angepasste Waldentwicklung im Tiergarten. Das vom Bund geförderte Projekt hat ein finanzielles Gesamtvolumen in Höhe von rund € 730.000, von denen 10 Prozent die Stadt Brühl trägt.